Fehlhaltungen, Muskelschwächen oder Störungen im Körpersystem können ungünstige Auswirkungen auf den Mund- und Gesichtsbereich haben. Diese Einflussnahme wirkt ebenfalls in umgekehrter Richtung.

So richtet sich z. B. die Kopfhaltung reaktiv auf die Körper(fehl)haltung im Stehen oder Sitzen aus. Gewisse Muskelstränge verspannen und verkürzen, andere erschlaffen und verlieren ihre Spannkraft. Das empfindliche Zusammenspiel der unzähligen Muskeln im Gesicht-Mund-Hals-Nacken-Bereich ist gestört und führt zu Fehlfunktionen, -entwicklungen und/oder Schmerzen im orofazialen System.

Der Körper kann Fehlhaltungen und die damit verbundenen Fehlfunktionen oft kompensieren.Treten aber Beschwerden auf, muss der Fokus der Therapie beim Ursprung der Störung ansetzen. Über die myofazialen Leitbahnen können Spannungen und Unbeweglichkeiten in andere Körperteile übertragen werden. Schmerzen oder Beeinträchtigungen treten in Körperregionen auf, die vom Ort des eigentlichen Geschehens hinwegtäuschen. Will man aber Rückfälle und unbefriedigende Resultate vermeiden, muss das zugrundeliegende Problem aufgedeckt und behandelt werden.

Myofaziales Gewebe umhüllt jeden Muskel und Knochen, jedes Organ und alle Nerven. Das Bindegewebe hat keinen Anfang und kein Ende, ist hauchdünn oder bis zu mehreren Millimetern stark. Wie ein Netz durchwirkt es dreidimensional den Körper, verleiht ihm Halt, Form, Spannkraft und Beweglichkeit. Von Fuss bis Kopf sind alle Strukturen durch das Fasziensystem verbunden und dank diesen derben weissen Häuten ist uns eine Aufrichtung gegen die Schwerkraft ohne grossen Kraftaufwand möglich.

Wir konnten nachweisen, dass bei Kindern mit einer vergrösserten sagittalen Frontzahnstufe, einer Progenie, einem Kreuzbiss und einem offenen Biss (…) Haltungsschwäche[n] signifikant häufiger als bei Kindern mit regelrechter Gebissentwicklung vorkommen.

– Dr. med. dent. R. Grabowski, 2008

Durch psychischen Stress, Unfälle, Operationen, Schonhaltungen, Bewegungsmangel oder Fehlernährung verkürzen, verhärten und verlieren Faszien ihre Gleitfähigkeit und Elastizität. Der Bewegungsspielraum von Muskulatur und Gelenken nimmt gravierend ab. Weil myofasziales Gewebe mit vielen Nerven durchsetzt und grösstes Wahrnehmungsorgan unseres Körpers ist, werden Bewegungseinschränkungen meist von Schmerzen begleitet. Über die Nervenendigungen haben Faszien bedeutenden Einfluss auf unser vegetatives Nervensystem.

Sagittale Frontzahnstufe

Im Idealfall beträgt der Abstand zwischen der oberen und unteren Schneidezahnkante 2mm. Ist die Distanz länger, dann spricht man auch von einem Overjet.

Kreuzbiss

Beim Kreuzbiss ragt ein Unterkieferzahn oder mehrere Unterkieferzähne seitlich über die Zähne des Oberkiefers hinaus. Diese Bissanomalie tritt ein- oder beidseitig auf und ist als frontaler Kreuzbiss auch bei den Schneidezähnen möglich.

Progenie

Die unteren Frontzähne stehen beim Schlussbiss vor den Zähnen des Oberkiefers. Diese Vorlage des Unterkiefers kann erblich bedingt, durch eine Überentwicklung des Unterkiefers entstehen oder die Folge eines unterentwickelten Oberkiefers sein. Im letzteren Fall spricht man von einer unechten Progenie, da der Unterkiefer normal entwickelt ist.

Offener Biss

Ein offener Biss liegt vor, wenn beim Zähnezubeissen (Schlussbiss) ein Spalt zwischen der oberen und unteren Zahnreihe besteht. Diese Öffnung kann zwischen den Frontzähnen oder im Seitenzahnbereich auftreten. Ein offener Biss kann auf eine inkorrekte Zungenlage, ein falsches Schluckmuster, eine schädliche Gewohnheit (Habit) oder auf eine Störung der Entwicklung während des Kieferwachstums (skelettaler offener Biss) hinweisen.